IG Gewerbe

Vergangenheit und Zukunft - Das Kultur- und Denkmalschiff MS Stubnitz

All hands on deck!

Interview mit Urs Blaser über das Kultur- und Denkmalschiff MS Stubnitz

Lieber Urs, wir kennen uns ja nun schon viele Jahre und ich erinnere mich noch an den alten Liegeplatz in der Versmannstraße neben dem U-Boot Museum U-434.


Wie lange ist das jetzt her, und musstet Ihr zum Anleger in der Kirchenpauerstraße umziehen?

Lieber Götz, ja, bemerkenswert wie die Zeit vergeht.. 1994 bis 2003 hatten wir mit der Stubnitz verschiedene Projektphasen an der Überseebrücke und auch einzelne an den Landungsbrücken.
2003 waren wir das erste mal am Kirchenpauerkai, wo nun seid 2013 unser Standort ist, damals war das noch Teil des Freihafens, mit Zollkontrollen an den Geländebegrenzungen.
Ab 2006 hatten wir mehrere Projektphasen im Baakenhafen, wie Du richtig erinnerst neben dem damaligen U-Boot Museum an der Versmannstraße, aber weiterhin auch einige an der Überseebrücke, nebst anderen Örtlichkeiten wie am Strandkai.


Um den heutigen Liegeplatz auf Dauer zu bekommen, musstet ihr gegenüber der HPA eine Reihe von strengen Auflagen erfüllen. Welche waren das und wie teuer war das zusammen?
Die eine Hürde war politischer Art: Für eine längerfristige Liegegenehmigung im Hafengebiet, mit einer Aktivität die keine Verbindung zur Hafenindustrie hat, bedurfte es einer Bestätigung des öffentlichen Interesses mittels eines Beschlusses der Hamburgischen Bürgerschaft, um eine Ausnahme zum Hafengesetz zu ermöglichen. Zum Glück wurde das damalige Anliegen ausnahmslos von allen Fraktionen mitgetragen.
Die andere Hürde war technischer Art: Große Traditionsschiffe mit langfristigen Genehmigungen liegen in Hamburg üblicherweise mit Dockschlössern an Dalben. Weil eine Dalbenlösung an der geplanten Stelle der Norderelbe nicht befürwortet wurde, haben wir letztlich in ein zusätzliches Festmachersystem mit zwei neuen, automatischen Festmacherwinden investiert. Ein damaliger Windenhersteller hat uns dabei nach Kräften unterstützt, aber mit Konstruktions- und Zulassungsaufwand, aber auch mit einer langen Stromzuführung zum Liegeplatz ist der Auwand deutlich im sechstelligen Bereich angekommen.


Ihr musstet lange kämpfen, um die denkmalgerechte Sanierung des Schiffes zu gewährleisten. Ist dieser Prozess der Mittelbeschaffung jetzt abgeschlossen? Johannes Kahrs und Senator Brosda waren da doch hilfsbereit?

Es gab einen kurzen Time-Slot, da wurde maritimes Erbe aus Bundes-Denkmalmittel mit 100% gefördert. Diesen Moment haben wir verpasst, weil sich die Liegeperspektive für unser Schiff damals noch nicht in trockenen Tüchern befand. Die damaligen Hamburger Mitglieder im Bundes-Haushaltsausschuss Rüdiger Kruse und Johannes Kahrs haben uns dann geholfen, eine 50% Förderung zu koordinieren, und die Hamburgische Bürgerschaft hat die Stubnitz erneut unterstützt, mit der Genehmigung einer Drittelförderung aus dem Sanierungsfonds. Wegen den nötigen Eigenmittel haben wir die Maßnahme sehr knapp konzipiert. Mit der Unterstützung vieler Patinnen und Paten ist aber auch dort eine stolze Summe zusammengekommen.


Wie weit seid ihr mit der Instandsetzung und was ist noch alles zu tun?

Mit dem Jahr 2021 haben wir das Maßnahmeziel eindeutig erreicht, und dabei mehr geschafft, als erwartet werden konnte. Die Corona-Zeit hatte diesbezüglich neben allen Nachteilen auch ein paar Vorteile, weil wir uns stark auf die Instandsetzung konzentrieren konnten. Die weitere Lebenserwartung unseres Denkmal- und Kulturschiffes ist damit sehr gut vorangekommen. Eine Broschüre, zu finden auf https://ms.stubnitz.com/foerdermitglied,beleuchtet exemplarisch einige Themen dieser Instandsetzung, auch wenn viele Aspekte, auf Grund des Umfanges des Gesamtprojektes außen vor geblieben sind.
Einige Instandhaltungsmaßnahmen haben wir mit der kleinen Videoreihe "Rust Never Sleeps" dokumentiert: https://www.youtube.com/playlist?list=PLYYocArwGX5MBnT5RId7c74kbsZsy8TKr.
Mit der gegenwärtig schlechteren Perspektive der Veranstaltungswirtschaft insgesamt setzen wir uns nun damit auseinander, wie wir die nächste Dockung in 2024 finanzieren können. Das betrifft auch neue Überlegungen zu einem erweiterten Nutzungsprofil für unsere Location, z.B. als Transferprojekt zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.


Wird die Stubnitz weiter seetauglich bleiben und auch mal wieder nach Rostock oder Skandinavien fahren und dort Konzerte abhalten?

Der Erhalt des Status eines Seeschiffes erhält auch den Bestandschutz für den authentischen Innenausbau, das ist auch ein denkmalpflegerisches Plus. Viele große Denkmalschiffe weden insbesondere im Innenbereich komplett erneuert, um bauordentliche Genehmigungen zu erhalten, wenn der 'Seeschiff-Status' nicht aufrecht erhalten werden kann.
Aus verschiedenen Hafenstädten, darunter Rostock und Kopenhagen gibt es durchaus Interesse an künftigen Kooperationen mit unserem Kultur- und Denkmalschiff. Auch wir selbst haben großes Interesse daran, uns wieder als Botschafterin für Kulturaustausch in Bewegung zu setzen. Aus aktueller Sicht lassen sich solche Interessen vorerst aber noch nicht weiter konkretisieren.

Was sind die nächsten Ziele Eurer Trägergemeinschaft und wo könnt Ihr Hilfe gebrauchen?

Aktuelle Musik, wie diese unserem kulturellen Hauptinteresse entspricht, benötigt nach Corona vermehrte Kooperationen mit der öffentlichen Hand. Für die Zeit nach den Pandemiemaßnahmen haben wir unsere Location auch attraktiver für Firmenevents gemacht, damit wir besser aus der Talsohle kommen können, wenn es wieder was zu feiern gibt.
Mit unserem Liegeplatz am Kirchenpauerkai, dem ehemaligen 'Afrikaterminal', würden wir gerne eine Beziehung zwischen Hamburg als dem 'Tor zur Welt' und Afrikanischen Hafenstädten befördern. An einem Aufbau von Kooperationen hierfür sind wir sehr interessiert.

Da wir das Schiff auch in Zukunft technisch und kulturell weiterentwickeln wollen, ist nach wie vor jede Unterstützung willkommen! Wir wollen mit unserer alten grauen Lady die Welt etwas bunter und diverser machen und freuen uns über Spenden, euren Besuch und/oder über euer Mitwirken. Es gibt auch weiterhin in allen Bereichen an Bord viel zu tun.„All hands on deck!“ bleibt seit über 30 Jahren die Konstante an Bord.

Zu guter Letzt noch die Frage, wann und wie Du zu dem Engagement für die MS Stubnitz gekommen bist? Was hält die Motivation in Dir?

Kurz vor der Wende, bei einem künstlerischen Projekt in Berlin, habe ich über einen mobilen Veranstaltungsort für Livemusik nachgedacht, der in verschiedenen Europäischen Regionen zum Einsatz gebracht werden kann.
Kurz danach, mit der Liquidierung der Rostocker Hochsee-Fischfangflotte, hat sich gewissermassen eine 'Jetzt-oder-nie Gelegenheit' für ein solches Projekt ergeben. In der Folge wurden kulturelle Kooperationen in Musikszenen vieler Europäischer Regionen während zwei Jahrzehnten an Bord der Stubnitz eine Wirklichkeit.
Parallel dazu, in der Verantwortung für das Projekt seit 1994, habe ich eine Beziehung zu dem Denkmalwert der Stubnitz aufgebaut, und sehe diese Beziehung inzwischen als eine Verantwortung.
Meine Motivation aber ist immer der akustische Raum an Bord geblieben, das Einmalige an diesem Produktionsort für aktuelle Livemusik, das mich immer wieder für die großen Mühen des Überlebens mit diesem Projekt entschädigt hat.


Lieber Urs Blaser, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen der Stubnitz und ihrem Team weiterhin alles Gute und ein tolles Jahr 2022.

Zurück